Vorgehensmodelle

Autor: Dipl.Ing Dipl.Wirtschfts.Ing Claudia Stöhler 2017

Neben Standards und Normen gibt es eine Reihe von Vorgehensmodellen, die im Projektmanagement eine große Relevanz haben. Schaut man sich beispielsweise die Themenlage auf dem PM Forum an, der mit über 1.000 Teilnehmern größten PM-Konferenz in Europa, so hat in den letzten Jahren ein Trend hin zu agilen Projektmanagementmethoden stattgefunden, die kombiniert mit klassischen (sequenziellen) Standards als „Hybrides Projektmanagement“ bezeichnet werden.

Stacymatrix
Fuchs, M., 2013. Chaos im Stacey Diagramm. Fail Fast – Agile Erfahrungen aus der Praxis.

Aber: es gibt nicht „Das Vorgehensmodell“ schlecht hin. Projekte sind sehr vielfältig, wie beispielsweise die Einordnung des Projekts in die Stacey Matrix zeigt. Es gibt eine kaum mehr überschaubare Zahl von Klassifikationen. Sie finden sich sowohl in der Literatur als auch in den PM-Handbüchern von Unternehmen. Schelle (2014) unterscheidet  zwei große Gruppen von Kategorisierungsversuchen:

1.Klassifikationen, mit denen lediglich versucht wird, etwas Ordnung in die Mannigfaltigkeit der Realität zu bringen wie: externe und interne Projekte oder die Differenzierung nach Investitions-, Organisations- und F&E-Projekten oder nach Projektgrößen (Kosten, Laufzeit, Anzahl Beteiligte, Auswirkung usw.)

2.Klassifikationen, die unmittelbar mit Handlungsempfehlungen/Verpflichtungen verknüpft sind. Das können beispielsweise Projekte nach bestimmten Standards z.B. Prince2 oder aufgrund rechtlicher Vorgaben sein. Hier besteht wenig Wahlmöglichkeit für die Methodik und damit dem Vorgehensmodell.

Timinger, 2017 S. 243 in Anlehnung an Ebert, 2014

Fraglich ist daher, ob aufgrund einer Klassifikation des Projekts eine Bestimmung des geeigneten Vorgehensmodells überhaupt sinnvoll ist. Es gibt eine ganze Reihe von Modellen für die Auswahl des „richtigen“ Vorgehensmodells. So skizzieren Boehm und Turner (2008) fünf Kriterien: Mensch, Stabilität der Anforderungen,(Unternehmens) Kultur, Projektteamgröße und Gefährdungspotenzial. Timinger (2017) definiert einen Kriterienkatalog für die Auswahl und Anpassung eines Vorgehensmodells (Auszug): Teamgröße und -qualifikation, räumliche Verteilung des Teams, Stabilität der Anforderungen, Komplexität des Projektgegenstands, Regulatorische/rechtliche Vorgaben u.s.w. Ebert (2014) empfiehlt Vorgehensmodelle aufgrund von Komplexität des Projekts und der Unsicherheit der Anforderungen und dem Engagement des Kunden während des Projekts.

Die „klassischen“, sequenziellen Vorgehensmodelle strukturieren Projekte in Phasen, die nacheinander abgearbeitet werden. Bei einer strengen Auslegung muss eine Phase komplett und erfolgreich abgeschlossen sein, bevor die nächste Phase starten kann. Typische Vertreter sind das Wasserfallmodell und das in Deutschland verbreitete V-Modell. Hinzu kommen iterative Vorgehensmodelle, wie das Spiralmodell, die zwar am Phasencharakter festhalten, jedoch zyklisch verlaufen.

Agile Vorgehensweisen verfolgen eine ganz andere Art von Projektmanagement, sie setzen auf die Prinzipien der Selbstorganisation und Eigenverantwortlichkeit von Projektteams. Agiles Vorgehen ist nicht zu verwechseln mit Arbeitsweisen, wie sie in Stressituationen praktiziert werden – Krisenmanagement ist eher direktiv und damit das Gegenteil von agil. Vielfach wird behauptet: Wir waren schon immer agil in Projekten! In diesem Sinne, als reaktive Handlungsweise, sind agile Vorgehensweisen nicht zu verstehen. Im Jahr 2001 erstellten mehrere Vordenker das agile Manifest, welches 12 Prinzipien folgt. Vier Werte sind besonders geschätzt:

  • Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
  • Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans

Bedeutende Vertreter der agilen Vorgehensweise sind Extreme Programming, Feature Driven Development und Scrum in der Softwareentwicklung. Zahlreiche internationale Unternehmen und Organisationen jeglicher Größe nutzen „Design Thinking“ als Projekt-, Innovations-, Portfolio- und/oder Entwicklungsmethode, da die Herausforderungen der heutigen Märkte zu komplex sind, um von Einzelpersonen oder Fachabteilungen allein gemeistert zu werden. Das ist auch der Grund für den Erfolg anderer kollaborativer Ansätze wie „Open Innovation“ oder „Open Source“ in der Web 2.0-Welt.

Frameworks wie Scaled Agile Framework  (SAFe) ermöglichen agile Arbeitsweisen in großen Unternehmen oder Projektlandschaften. „As Scrum is to the Agile team, SAFe is to the Agile enterprise.“– Dean Leffingwell.  SAFe kombiniert Ansätze aus den agilen Methoden Scrum, Kanban und Extreme Programming mit Lean Thinking sowie den von Donald Reinertsen formulierten Prinzipien zum Lean Product Development und ermöglichst es so, Agilität im Unternehmensumfeld und großem Maßstab anzuwenden.

Standards, Normen und Vorgehensmodelle helfen Unternehmen bei der Festlegung von unternehmensspezifischen Projektabläufen und -Strukturen und deren systematischen Optimierung. Benchmarks werden ermöglicht. Unreflektiert mit „copy and paste“ implementiert, führen sie jedoch nicht zu guten Ergebnissen oder einer Akzeptanz im eigenen Unternehmen. Sie müssen zur Kultur des Unternehmens passen bzw. es bedingt sich eine gegenseitige Beeinflussung.

Fazit für die Lehre:

Die Studierenden sollten die „State-of-the-art“ Vorgehensweisen nicht nur kennen, sondern auch in der Lage sein, situationsgerecht die richtigen Vorgehensweisen zu wählen und später im Berufsleben professionell anzuwenden. Dafür ist das nötige Wissen zu vermitteln und die Möglichkeit zu schaffen, diese sowohl auszuprobieren, als auch im Sinne einer Professionalisierung zu trainieren.


Quellen: